Zweck und formaler Aufbau

Entscheidungstabellen sind eine formale Darstellung von Wenn-Dann-Problemen. Sie sind ein grafisches Hilfsmittel zur Darstellung komplexer Entscheidungszusammenhänge zwischen Bedingungen und Aktionen in kompakter und übersichtlicher Form.

Die Anwendung ist nicht auf den IT-Bereich begrenzt. Beispielsweise enthalten juristische Texte zahlreiche Bedingungen und Aktionen. Typische Anwendungsbeispiele sind:

  • Berechnungsmethoden (Rabatt- / Skontogewährung)
  • Arbeitsanweisungen (Montageanleitung)
  • Formalisierbare Entscheidungsprozesse aller Art (Ampelsteuerung)

Entscheidungstabellen werden zur Problemlösung und zur Dokumentation eingesetzt. Das Ziel des ET-Einsatzes ist es, die Kommunikation zu erleichtern. Daher ist es sinnvoll, bei der Aufstellung von Entscheidungstabellen allgemein gültige Formvorschriften der DIN 66241 zu beachten.

Struktur

  Name der ET Regelnummern
wenn Bedingung Bedingungszeiger
dann Aktionenen Aktionszeiger

Verarbeitungsregeln

Das Anzeigefeld (Bedingungsanzeiger und Aktionsanzeiger) wird in Spalten aufgeteilt. Die Anzeige-Elemente in einer Spalte kennzeichnen die betreffenden Bedingungskonstellationen und zugehörige Aktionsfolgen. Beide zusammen werden als Regeln bezeichnet. Die Regeln einer ET sind fortlaufend zu nummerieren.

Beispiel: Überholen

Gemäß der Straßenverkehrsordnung darf nur dann überholt werden, wenn die Gegenfahrbahn frei und die Straße übersichtlich ist. Stellen Sie in Abhängigkeit von diesen Bedingungen die Aktionen eines Kraftfahrzeugs dar.

Entwerfen Sie eine nach der systematischen Methode erstellte ET:

Überholen R1 R2 R3 R4
Gegenfahrbahn frei J J N N
Straße übersichtlich J N J N
Überholen X      
Nicht überholen   X X X

Arten

ET mit begrenzter Anzeige

Für den Bedingungsanzeiger gibt es maximal drei Möglichkeiten:

  • JA - J
  • NEIN - N
  • Irrelevant (don’t care) - -

Die maximale Zahl der Regeln in einer ET ist 2B2^B, wobei BB für die Anzahl der Bedingungen steht. Die Anzahl der möglichen Aktionen hat aber keinen Einfluss auf die Anzahl der Regeln!

Beispiel: Bewertung von Hotels

Hotels an der Mittelmeerküste werden nach folgenden vier Bedingungen geprüft: Strandnähe - ruhige Lage - deutsche Küche - deutschsprachige Bedienung

  • Alle vier Bedingungen erfüllt \rightarrow Kategorie A
  • Drei Bedingungen erfüllt \rightarrow Kategorie B
  • Zwei Bedingungen erfüllt \rightarrow Kategorie C
  • Eine oder keine Bedingung erfüllt \rightarrow streichen
Hotelklassen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
B1 Strandnähe j j j j j j j j n n n n n n n n
B2 Ruhige Lage j j j j n n n n j j j j n n n n
B3 Dt. Küche j j n n j j n n j j n n j j n n
B4 Dt. Bedienung j n j n j n j n j n j n j n j n
A1 Kategorie A X                              
A2 Kategorie B   X X   X       X              
A3 Kategorie C       X   X X     X X   X      
A4 Streichen               X       X   X X X
  • Vollständige Entscheidungstabelle, nach der systematischen Methode erstellt. \rightarrow Sämtliche Elemente im Bedingungsanzeiger sind immer zweiwertig (j oder n).
  • Die notwendige Anzahl der Entscheidungsregeln R1 .. Rn ist immer: n=2Bn=2^B, d.h. die Hereinnahme einer zusätzlichen Bedingung B verdoppelt sofort die - meist ohnehin schon große - Anzahl der notwendigen Entscheidungsregeln.
    \rightarrow Möglichst eine geringe Zahl an Bedingungen anstreben!
  • Da keine Gewichtung der Bedingungen erfolgt, sind diese voneinander unabhängig.

Viel häufiger kommt es vor, dass einzelne Bedingungen logisch voneinander abhängig sind. Man bezeichnet solche Bedingungen als “Ausschlussbedingungen”: Das Zutreffen einer Bedingung schließt das gleichzeitige Zutreffen einer anderen aus.

Solche Ausschlussbedingungen sind beispielsweise:

  • Altersgruppe
  • Gehaltsstufe
  • Lohnsteuerklasse
  • Beitragssätze

Ein Mitarbeiter kann nicht gleichzeitig verschiedenen Altersgruppen angehören, und auf einer Lohnsteuerkarte können nicht gleichzeitig verschiedene Steuerklassen stehen.

Vollständigkeitsprüfung

Die Tabelle ist formal vollständig, wenn aufgrund der Bedingungen genügend Regeln erfasst wurden. (Vorsicht, wenn Redundanzen oder Widersprüche vorliegen)

Maximale Regelanzahl n=2Bn = 2^B

Jeder Irrelevanzanzeiger steht für 2 Möglichkeiten (J oder N). Die Zahl der erfassten Regeln ist daher größer als die Zahl der abgebildeten Regeln in obigem Beispiel. Für jede Regel ist also die 2 mit der Zahl der Irrelevanzanzeiger zu potenzieren.

In einem Beispiel mit vier Regeln, bei der zwei Regeln mit don’t cares versehen werden: n=23=222=8n = 2^3 = 2 * 2 * 2 = 8

Regel 1: 22=42^2 = 4
Regel 2: 21=22^1 = 2
Regel 3: 20=12^0 = 1
Regel 4: 20=12^0 = 1

Die Zahl der erfassten Regeln (4+2+1+1=84+2+1+1 = 8) stimmt also mit der Zahl der maximal möglichen Regeln überein.

\rightarrow Die ET ist formal vollständig!

Redundanz und Konsolidierung

Durch eine Zusammenfassung von 2 Regeln kann man eine ET konsolidieren. Dies ist immer dann möglich, wenn

  1. zwei Regeln die gleiche Aktion bewirken,
  2. zwei Regeln sich in nicht mehr als einem Bedingungsanzeiger unterscheiden.

Beispiel:

Kreditgewährung R1 R2 R3 R4
B1 monatliches Einkommen > Kreditlimit N N J J
B2 Zahlungsverhalten bislang gut N J N J
A1 Kredit geben     X X
A2 Vorgesetzter entscheidet   X    
A3 Kein Kredit X      

In der oben gesehen Tabelle können R3 und R4 zusammengefasst werden. Das Ergebnis der zusammengefassten Tabelle sieht dann so aus:

Kreditgewährung R1 R2 R3
B1 monatliches Einkommen > Kreditlimit N N J
B2 Zahlungsverhalten bislang gut N J -
A1 Kredit geben     X
A2 Vorgesetzter entscheidet   X  
A3 Kein Kredit X    

Redundanz bedeutet, dass die Regeln, die die gleiche Bedingungsanzeiger-Kombination und die gleichen Aktionen beinhalten, öfter als einmal in der ET vorkommen. Weist eine Entscheidungstabelle mehr Regeln auf als notwendig, sind möglicherweise Regeln redundant.
Da die Regeln gleiche Aktionen haben, kann man durch Konsolidierung jeweils zwei Regeln zu einer zusammenfassen. Redundanz liegt auch vor, wenn eine Regel vollständig in einer anderen Regel enthalten ist (R1 ist redundant):

R1 R2 R1,2
J - -
J J J
J J J
X X X

Widerspruch

Ein Widerspruch liegt vor, wenn inhaltlich gleiche Bedingungen zu unterschiedlichen Aktionen führen. Ein solcher Widerspruch wird oft erst durch das Erstellen einer ET aufgedeckt, weil im zugrunde liegenden Text die Bedingungen verschieden formuliert waren und daher nicht auf den ersten Blick als inhaltlich gleich erkannt wurden.

Beispiel:

Beispiel R1 R2 R3
B1 N J J
B1 J J J
B1 N J -
A1 X   X
A2 X X  

Regel 2 und Regel 3 beinhalten gleiche Bedingungskonstellationen (J/J/J), aber unterschiedliche Aktionen (Regel 2 \rightarrow Aktion 2 und Regel 3 \rightarrow Aktion 1).

\rightarrow Zwischen Regel 2 und Regel 3 liegt ein Widerspruch vor